Ein Arbeitsschwerpunkt des Zentrums für angewandte Lernforschung ist die Evaluation und Weiterentwicklung von Qualitätsstandards in der Rechenschwächediagnostik, -beratung und -therapie in den beteiligten Instituten.

Qualitative Diagnostik

Kinder und Jugendliche mit auffallend „unerklärlichen” Fehlleistungen im Rechnen sollten auf eine Rechenschwäche/Dyskalkulie untersucht werden. Eine individuelle, Förderdiagnostik, die die vorhandenen Kenntnisse und Fehlverständnisse des Schülers festhält, ist hierfür das Mittel der Wahl. Diese qualitative Diagnostik unterscheidet sich prinzipiell von allgemeinen Leistungstestungen in Schulen und von standardisierten Dyskalkulie- oder Intelligenztestungen. Standardisierte Tests, die richtige bzw. falsche Ergebnisse festhalten und diese mit der Altersgruppe oder Klassenstufe vergleichen, sind für die Diagnose einer Rechenschwäche, und vor allem für eine spätere Therapie, nicht ausreichend. Hierfür bedarf es einer Analyse, die über das Festhalten der praktizierten Fehler hinausgeht.

Wenn beispielsweise ein Kind in der 2. Klasse die Aufgabe 13 – 12 mit 1 richtig löst, sie aber nur zählend bearbeiten kann – mit und ohne Fingerhilfe – dann ist festzuhalten, dass keine Einsicht in den Zahlaufbau vorliegt. Trotz richtigem Ergebnis fehlt das mathematische Fundament!

Qualitatives Fehlerprofil

Die Ergebnisse der Förderdiagnostik sind in einem ausführlichen Bericht festzuhalten, der eine Analyse des Umgangs des Kindes mit den gestellten Aufgaben zusammenfasst. Dieses qualitative Fehlerprofil führt auch den Inhalt der notwendigen Fördermaßnahmen auf.

Zusammenarbeit mit Eltern und Lehrern

Die Elternberatung muss ein integraler Bestandteil jeder lerntherapeutischen Intervention sein. Hierzu gehören eine telefonische Erstberatung sowie ein 1 bis 2-stündiges Beratungsgespräch nach der individuellen Förderdiagnostik. Nach jeder Therapieeinheit sollten die Eltern in einem Gespräch über den aktuellen Stand der Lerntherapie und das weitere Vorgehen informiert werden. Die intensive Zusammenarbeit von Eltern und Dyskalkulietherapeut ist ein wichtiger Bestandteil für eine erfolgreiche Lerntherapie. Gleiches gilt auch im Zusammenwirken mit der zuständigen Lehrkraft.

Integrative Einzel- oder Doppeltherapie

Bei grundlegenden mathematischen Fehlverständnissen ist eine Rechenschwächetherapie als integrative Einzel- oder Doppeltherapie notwendig. Eine Förderung rechenschwacher Kinder / Jugendlicher in Form von Kleingruppen hat sich nicht als Erfolg versprechend herausgestellt. Die Therapie muss auf den individuellen Lernstand ausgerichtet sein.

Wissenprofil des Therapeuten: Diagnose, Mathematik und Psychologie

Dyskalkulietherapeuten müssen die Algorithmen rechenschwacher Kinder erkennen, analysieren und in einen Kontext zur Zahlverarbeitung des jeweiligen Kindes stellen können. Das Erkennen und Einordnen der vielfältigen Auffälligkeiten bei rechenschwachen Kindern setzt sowohl diagnostische Kenntnisse, als auch ein spezielles Wissen über die Mathematik und die daraus resultierenden therapeutischen Möglichkeiten voraus.

Darüber hinaus haben Dyskalkulietherapeuten eine nicht zu unterschätzende psychologische Aufgabe. Für rechenschwache Kinder / Jugendliche ist das Fach Mathematik in der Regel negativ besetzt. Sie verbinden damit Erfahrungen ihres Versagens. Der Aufbau und die Stabilisierung Selbstwertgefühls bedarf einer vertrauensvollen Unterstützung. Die Lerntherapie bezieht sich immer auf das kognitiv-emotionale Persönlichkeitskonzept insgesamt.

Diagnostik, Beratung und Bericht sollten als eigenständige Leistung angeboten werden, unabhängig von einer Therapievereinbarung.